Azoren – Atlantik, Abenteuer, Authentizität

Ein Reisebericht von Diederich Seckelmann

Zwischen tiefblauem Atlantik, grünen Vulkaninseln und urwüchsiger Gastfreundschaft liegen die Azoren – ein Revier für Segler, die noch echtes Blauwasserfeeling suchen. Wer hier startet, findet keine durchgeplante Infrastruktur, sondern Weite, Wetter, Wind – und das gute Gefühl, als Crew etwas zu leisten.

Ausgangshafen: Marina Hotra, Faial

Tag 1 – Anreise & erste Eindrücke (Freitag, 16.06.)

Frühflug mit Luxair ab Luxemburg, Umstieg in Lissabon – und wie so oft bleibt das Gepäck dort zurück. Willkommen auf den Azoren! Nicolau, unser sympathischer Charterpartner, empfängt uns herzlich am Flughafen von Faial, hilft beim ersten Einkauf und bringt uns ins Sao Francisco Guesthouse in Horta. Die Zimmer sind einfach, aber die Lage direkt am Hafen perfekt. Beim Abendessen mit den Crews der anderen Yachten spüren wir sofort: Hier draußen regiert der Atlantik – und die Gemeinschaft derer, die ihn segeln.


Tag 2 – Geduld & Vorbereitung (Samstag, 17.06.)

Das Gepäck trifft erst am Nachmittag ein. Zeit für einen Bummel durch Horta, einen Kaffee mit Blick auf die berühmten bunten Kaimauern und den ausführlichen Check-in bei Nicolau. Die Supermärkte sind gut sortiert, die Lieferung direkt ans Boot funktioniert reibungslos. Am Abend genießen wir die erste Bordmahlzeit – die Vorfreude auf das große Abenteuer wächst.


Tag 3 – Horta – Graciosa: Atlantik pur (Sonntag, 18.06.)

Früh um 8:40 Uhr legen wir ab. Westwind 5, Böen 6–7, Regenschauer – der Atlantik zeigt gleich, wer er ist. 53 Seemeilen nach Graciosa, raumschots, sportlich, fordernd. Am Abend laufen wir im kleinen Fischerhafen von Vila da Praia ein. Dank der freundlichen Fischereigenossenschaft dürfen wir dort anlegen. Das Abendessen im Restaurant am Platz: fangfrischer Fisch, ehrlicher Wein – ein perfekter Ankunftstag.


Tag 4 – Graciosa – Terceira: Herausforderung Angra (Montag, 19.06.)

Kurz bei der Hafenpolizei ausklarieren, dann Kurs auf Angra do Heroísmo (Terceira). Wieder raumer Wind, wieder Böen, wieder Atlantik! Die Marina ist fast voll, doch Nicolau hat vorgesorgt – wir ergattern den vorletzten Platz. Das Anlegen im engen Becken ist Teamarbeit pur. Angra beeindruckt mit Weltumseglern, historischen Fassaden und UNESCO-Charme. Abendessen an Bord, Spaziergang durch die Altstadt – und ein Gefühl, wirklich angekommen zu sein.


Tag 5 – Terceira – Sao Jorge: Nachtansteuerung in Velas (Dienstag, 20.06.)

Nach einer morgendlichen Fototour durch Angra setzen wir Segel Richtung Velas (Sao Jorge). Der NNW-Wind trägt uns zügig voran, später hilft der Motor. Die Einfahrt nach Velas bei Dunkelheit erfordert Konzentration – und Vertrauen in die Crew. Der Hafen ist überfüllt, aber wir finden mit etwas Glück einen Platz. Spätes Dinner im „Acor“ – hervorragende Küche und ein herzlicher Hafenmeister machen den Tag perfekt.


Tag 6 – Sao Jorge: Wandern & Weite (Mittwoch, 21.06.)

Ein Tag ohne Segeln – aber voller Eindrücke. Mit dem Taxi geht es hinauf zur Serra do Topo, dann zu Fuß hinab zur spektakulären Caldeira de Santo Cristo. 10 Kilometer, 700 Höhenmeter, Natur pur. Azoren-Feeling zwischen Vulkanhängen, Küstenpfaden und Stille. Am Abend: Bordleben, Wein, Geschichten – die Crew ist angekommen im Rhythmus der Inseln.


Tag 7 – Sao Jorge – Pico: Begegnungen & Gelassenheit (Donnerstag, 22.06.)

Nur 12 Seemeilen bis Sao Roque auf Pico – diesmal unter Motor, fast meditativ. Wir machen an einer Boje des Clube Naval fest (nur bei ruhigem Wetter empfehlenswert – vorherige Absprache mit der Basis nötig!). Jugendtraining im traditionellen Walfangboot, Schwimmen im klaren Atlantikwasser, Dinner im „Casa Ancora“. Am Abend verabschiedet uns Nicolau persönlich – dieser Service ist selten geworden.


Tag 8 – Pico – Horta: Zurück nach Faial (Freitag, 23.06.)

Ein letzter Schlag über den Kanal, Sonne, Wind, Gischt. Nach 201 Seemeilen in einer Woche laufen wir wieder in Horta ein. Tanken, Ausklarieren – und dann: Sundowner über Porto Pim. Die Woche vergeht wie im Flug, aber die Erinnerung bleibt.

Fazit & Tipps für Segler auf den Azoren

Revier & Planung

Die Azoren sind kein Einsteigerrevier. Weite Distanzen, wechselhaftes Wetter und begrenzte Hafenplätze verlangen Erfahrung, gute Vorbereitung und Flexibilität. Pflichtlektüre: „Atlantic Islands Pilot Book“.


Check-in & Service

Persönlich, herzlich, zuverlässig – Nicolau und sein Team machen den Unterschied. Kommunikation und Organisation laufen reibungslos, auch bei spontanen Planänderungen.


Ausstattung & Boot

Unsere Dufour 382 Grand Large war solide und seetüchtig, ideal für Crews bis 5–6 Personen. Technik und Segelzustand gut, Layout funktional – Komfort sekundär, Erlebnis primär.


Wetter & Segeln

Atlantik pur: Sonne, Regen, kräftiger Wind. Kleidung und Crew sollten wetterfest sein. Abends kühlt es deutlich ab – Fleece statt Flipflops.


Menschen & Preise

Ehrlich, hilfsbereit, bodenständig. Hafengebühren moderat, Restaurants und Supermärkte auf mitteleuropäischem Niveau.


Formalitäten & Anreise

Ein- und Ausklarieren in jedem Hafen erforderlich, Flugverbindungen via Lissabon teils unzuverlässig. Zwei Puffertage sind ratsam.


Persönlicher Tipp

Wer die Azoren segelt, sucht nicht den Komfort, sondern das Erlebnis. Hier zählt Seemannschaft, Teamgeist und das Gefühl, auf dem offenen Ozean unterwegs zu sein. Für Crews, die Weite und Authentizität lieben, ist dieses Revier ein Geschenk.